Zahlreiche Reihen mit weiße Papierboote nebeneinander, zwischen den Reihen fährt ein rotes Papierboot entlang.

7. Deutschlandforum

7. Deutschlandforum: Städte machen Deutschland reich! Urban Age – Regional Governance – Local Cities


„Mitte des 20. Jahrhunderts befanden sich viele unserer Städte im physischen Verfall. Sie erlebten einen Rückgang ihrer Bevölkerung, ihrer wirtschaftlichen Aktivität, ihrer volkswirtschaftlichen Schlüsselfunktionen und ihres Anteils am nationalen Wohlstand. Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert gewinnen Städte wieder an Bedeutung – als strategisch wichtige Orte für Dynamik und eine Vielzahl von Projekten.“ Dieses Ergebnis brachte ein Forschungsprojekt, welches die Alfred Herrhausen Gesellschaft, gemeinsam mit der London School of Economics sowie einem internationalen Expertenteam durchgeführt hat. Unter dem Titel „Urban Age“ wurden zwei Jahre lang die Lage und die Zukunft von Metropolen zu Beginn des 21. Jahrhunderts untersucht. Anlass der weltweiten Untersuchung dieser so genannten Megacitys war eine UN-Studie, die besagt, dass Mitte dieses Jahrhunderts zwei Drittel der Menschen in Städten leben werden. Im Jahr 2020 rechnet die UN mit 1,4 Milliarden Menschen in stetig wachsenden Slums.

Die Stadt muss neu erfunden werden

Städte sind sowohl Orte der Hoffnung für Millionen Menschen aus aller Welt als auch Orte, in denen sich alle Probleme auf engstem Raum verdichten. Eine spannende Thematik, die auf dem 7. Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung zunächst aber die Frage aufwarf, inwiefern sie für den IC als Initiative des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) von Bedeutung ist. Bekannterweise vertritt der DStGB die Interessen von Gemeinden und kreisangehörigen Städten mit bis zu 150.000 Einwohner. „Metropolen setzen Trends. Und Probleme, die auch die Peripherie und den ländlichen Raum nachhaltig beeinflussen könnten, werden in den großen Städten bereits früh erkannt. Es wäre daher unklug, nicht auf die Entwicklung der großen Städte zu schauen“, erläuterte Roland Schäfer, Präsident des DStGB, in seiner Begrüßungsrede das Interesse des IC am Urban Age-Projekt. Auch Wolfgang Nowak, Sprecher der Alfred Herrhausen Gesellschaft, betonte in seinem Vortrag die Bedeutung der Städte für den ländlichen Raum. „Städte waren und sind verlockend. Seit jeher strömen Menschen in die Metropolen, weil sie sich eine bessere Zukunft versprechen.“ Anhand eines Beispiels verdeutlichte er, wie heutzutage versucht wird, den Zuwachs an Menschen zu kontrollieren. „Früher haben sich Städte mit Mauern umgeben. Im heutigen Shanghai gibt es zwar keine Mauern mehr, dafür aber strenge Gesetze, die genau festlegen, wer in der Stadt wohnen darf und wer nicht. Und wer nicht in Shanghai wohnen darf, fühlt sich als Bürger zweiter Klasse.“ Des Weiteren ging Nowak auf die Siedlungsstruktur in Deutschland ein: „Deutschland ist eigentlich in einer glücklichen Situation. Es gibt nicht ein Zentrum, das alles aufsaugt, sondern vielmehr ein vielfältiges Mosaik aus Städten und Regionen. Aber auch diese Vielfalt gerät aus dem Gleichgewicht, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in großen und kleinen Städten unterschiedlich verläuft. Dann haben wir es mit schrumpfenden Städten zu tun.“ Im Gegensatz zu den wachsenden Metropolen weltweit, kämpfe man in Deutschland daher mit dem Problem, wie man Wachstum in schrumpfenden Städten schaffen könne, folgerte er. Dass die Lösung dieses Problems für ihn eine hohe Priorität genießt, brachte Nowak mit seiner Schlussforderung noch einmal auf den Punkt. „In den Städten wird sich unsere Zukunft entscheiden. Wir müssen die Stadt des 21. Jahrhunderts neu erfinden.“

Nebeneinander von Ungleichheiten

Auch für Dieter Läpple, Professor für Stadt- und Regionalökonomie an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) ist eine Zukunftsperspektive ohne dynamische Städte nicht möglich. Entgegen dem Trend der Suburbanisierung, der sich in Deutschland in den letzten 20 Jahren abgezeichnet hat, ist seiner Meinung nach heutzutage wieder eine Revitalisierung der Städte zu beobachten. Allerdings, so stellte Läpple klar, zeichnen sich die Städte durch eine ausgeprägte Janusköpfigkeit aus. Zum einen seien sie Zentren ökonomischer Dynamik, zum anderen aber immer noch Orte, in denen sich die sozialen Probleme des Strukturwandels kumulieren würden. „In den deutschen Städten, egal ob klein oder groß, sind wir weiterhin konfrontiert mit dem Nebeneinander von Ungleichheiten. So müssen wir uns auseinandersetzen mit Wachstum und Schrumpfung, zentrifugalen und dezentrifugalen Siedlungsstrukturen, Urbanisierung und weitergehender Suburbanisierung, Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitig zunehmendem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, Integration und Exklusion, dynamischen Innovationen und Innovationsblockaden, Beschleunigung und Stillstand“, führte Läpple seine These weiter aus. Zudem verwies er auf das prekäre Nebeneinander von neuen und alten Arbeitsformen. „Wir müssen schauen: Wer sind die Gewinner, wer sind die Verlierer des Umbruchs der städtischen Arbeitswelten. Wir haben bereits einen sehr großen Anteil an ‚Ausgegrenzten’, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt mehr finden, weil sie noch nicht mal einen Hauptschulabschluss haben. Und wir haben auch das Risikosegment. Hier wird die Qualifikation der Beschäftigten nicht weiterentwickelt, obwohl die Anforderungen stetig wachsen“, beschrieb Läpple die Situation beispielhaft. Für ihn ist die entscheidende Frage der Zukunft, wie Städte in die Lage versetzt werden können, Innovatoren im Wettbewerb zu sein und gleichzeitig die großen sozialen Probleme in den Griff zu bekommen. „Es wäre verkehrt“, so Läpple, „dabei immer nur auf das Neue und Erfolgreiche zu schauen, sondern man muss darauf achten, auch Altes zum Gegenstand einer Entwicklungsperspektive zu machen. Und man darf nicht nur auf ein Segment setzen. Es geht nicht nur darum, Stärken zu stärken, sondern alle verfügbaren Ressourcen zu mobilisieren.“

Von Verkehrsplanung bis Bildungspolitik

Dieter Läpple nahm im Anschluss auch an der Expertenrunde teil. Zur Diskussion vor und mit dem Plenum begrüßte Moderator Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, außerdem drei weitere Teilnehmer: Hermann Knoflacher, Professor am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technischen Universität Wien, Josef Weber, Architekt und Stadtplaner, bis vor kurzem in Halle an der Saale, jetzt in Konstanz tätig, und Tom Stryck, Referatsleiter im Berliner Bundesministerium für Forschung, Bildung und Wissenschaft und zuständig für die Qualitätsentwicklung in der Bildungsverwaltung. Die Diskussion berührte unterschiedliche Schwerpunkte: die Veränderungsprozesse in den Metropolen und ihre Folgen, das Verhältnis zwischen Städten und ländlichem Raum sowie die Entwicklungen im Bildungsbereich. Hermann Knoflacher schilderte zunächst aus der Sicht eines Verkehrsplaners, mit welchen Problemen die heutigen Metropolen zu kämpfen haben. „Man hat lange geglaubt, dass man durch Geschwindigkeitserhöhung im System Zeit sparen kann. Dabei hat man übersehen, dass durch die Erhöhung der Geschwindigkeit nicht die Mobilitätszeit reduziert, dafür aber die Struktur im System verändert wird. Die Problematik der Metropolen ist also eine Frage der Geschwindigkeit. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Menschen, die sich mit Stadtund Verkehrsplanung beschäftigen, falsch ausgebildet sind und glauben, dass es so etwas wie Mobilitätswachstum, Zeiteinsparung und die Freiheit der Verkehrsmittel gibt“, schilderte Knoflacher. Josef Weber ging dann auf das Problem der so genannten „schrumpfenden“ Städte ein, die nach Meinung der Experten durch Abwanderung von Einwohnern an Attraktivität, Potenzial und Dynamik verlieren. Er selbst war als Stadtplaner viele Jahre in Halle an der Saale tätig, einer Stadt, die 1990 noch 330.000 Einwohner zählte, heute nur noch 234.000. Trotz dieser physischen Verringerung der Stadt um gut ein Drittel der Bürger empfindet Weber Halle als eine sehr dynamische Stadt – sowohl innerhalb der Stadtgrenzen als auch nach außen in Verbindung mit der Peripherie. „Wenn wir uns mit den Städten beschäftigen, dann geht es nicht zwangsläufig um Wachstum oder Schrumpfung, das Thema heißt viel mehr Veränderung. Durch Veränderung entsteht Dynamik, positive Energie wird freigesetzt, neue Ideen entstehen und die Stadt entwickelt sich weiter. In Halle war das deutlich spürbar“, untermauerte Weber seine Meinung. Als sehr kontrovers schilderte er das Verhältnis von Stadt und ländlichem Raum. „In Halle ist man sich sehr wohl bewusst, dass man ohne das Land nicht leben kann, umgekehrt scheint dies aber noch nicht der Fall zu sein“, so sein Kommentar. Zum Thema Bildung bezog dann Tom Stryck Stellung. Er stellte die These in Frage, ob eine vernünftige Bildungspolitik wirklich schwerpunktmäßig auf die Ausbildung der Kinder zu konzentrieren ist. „Es gibt heutzutage keinen konkreten Wissensbestand mehr. Jeder von uns muss sich während seines Lebens im Schnitt fünf bis sechs mal umorientieren. Die entscheidenden Prozesse im Arbeitsleben sind von großer Bedeutung“, postulierte Stryck. Für ihn muss die Politik das Bildungssystem, das nach der eigentlichen schulischen Ausbildung greift, stärker thematisieren. In diesem Zusammenhang spielen auch die Städte eine bedeutende Rolle. „Städte üben auf Menschen eine große Faszination aus. Sie sind gigantische Lernorte mit unterschiedlichsten Angeboten, die der ländliche Raum so nicht bieten kann“, so Stryck. An dieser Stelle wurde von Franz-Reinhard Habbel die Frage aufgeworfen, ob die Chancen des ländlichen Raums nicht in den Möglichkeiten der Neuen Medien liegen. So habe eine McKinsey-Studie ergeben, dass 2008 weltweit rund 1,8 Milliarden Jobs ortsunabhängig durchgeführt werden könnten. Eine optimistische Prognose, die von Dieter Läpple so nicht geteilt wurde: „Wir haben selbst Studien durchgeführt, die sich sehr intensiv mit dem Arbeitsmarkt im Bereich der Neuen Medien beschäftigt haben. Danach haben die meisten Internetgründungen der letzten Jahre fast alle in städtischen Gebieten stattgefunden.“ Es sei demnach ein Irrtum zu glauben, mit dem Aufkommen der Neuen Medien würde Entfernung keine Rolle mehr spielen. Die Resultate der Studien würden das Gegenteil belegen. Zurzeit erfolge nämlich eine immer stärkere Konzentration der Menschen auf die Städte. Läpples Fazit: „Die Stadt wird nicht überflüssig. Im Gegenteil, sie wird immer bedeutender.

PHORMS – ein etwas anderes Bildungskonzept

Beim abendlichen Kamingespräch verblüffte dann der Berliner Unternehmer Dr. Alexander Olek mit einem neuen Konzept zum Thema schulische Bildung. Olek, der bereits als Student sein erstes Unternehmen gründete, ist Aufsichtsratsvorsitzender der PHORMS Management AG, die ein ungeschriebenes Gesetz im deutschen Bildungssystem bricht: Schulen sind nicht zum Geldverdienen da. Zwar haben seit der PISA-Misere private Lehranstalten Konjunktur, doch bislang fungieren nur Vereine, Stiftungen und Kirchen als Träger solcher Einrichtungen. Die Idee, eine Schule in den Besitz einer Aktiengesellschaft zu stellen, ist neu und trifft nicht allerorten auf Zustimmung. In einem Spiegel-Artikel war jüngst ein Kommentar von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, zu lesen, der es als unanständig empfindet, sich auf dem Rücken der Kinder bereichern zu wollen. Vor den Mitgliedern des IC bezog Olek dazu Stellung: „Unser Produkt ist gute Bildung. Es ist doch nur ein fairer Deal, wenn die Kunden den Unternehmer bezahlen. Allerdings müssen wir dafür auch ein bisschen besser sein als das öffentliche System.“ So haben die PHORMSGründer bereits jetzt alle Reformen im Angebot, die sich im öffentlichen System nur allmählich etablieren: Ganztagsbetrieb, bilingualen Unterricht, individuelle Förderung statt Frontalunterricht, Internationales Baccalaureat zusätzlich zum Abitur. Die finanziellen Beiträge der Eltern richten sich übrigens nach deren jeweiligem Gehalt und liegen zwischen 200 und 860 Euro im Monat. „Ab 120 Schülern trägt sich eine Schule selbst“, lautet Oleks Einschätzung. Das Konzept scheint aufzugehen. Die im August 2006 in Berlin Mitte eröffnete PHORMS-Schule wurde innerhalb kürzester Zeit zum Erfolg. Noch in diesem Jahr sollen daher auch PHORMSSchulen in München, Frankfurt und Köln eröffnet werden. Nähere Infos sind unter www.phorms.de zu finden.

Friedrichshafen ist T-City

Zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages stand zunächst der T-City-Wettbewerb der Deutschen Telekom auf dem Programm. An dem Wettbewerb, der am 31. Mai 2006 gestartet war, hatten insgesamt 52 Städte teilgenommen, zehn waren in die Endrunde gekommen. Am Ende konnte sich Friedrichshafen durchsetzen und wurde am 21. Februar 2007 zur ersten T-City Deutschlands gekürt. Vor den Mitgliedern des IC fasste Dr. Matthias Wefer von der Deutschen Telekom noch einmal den Verlauf des Wettbewerbs zusammen. Andreas Roth, Projektleiter T-City in Friedrichshafen, präsentierte anschließend die einzelnen Projekte, mit denen die Stadt den begehrten Preis gewonnen hatte. „Mit dem Gewinn des Wettbewerb fängt unsere eigentliche Arbeit erst an. Wir werden uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern haben uns für die kommenden fünf Jahre viel vorgenommen. Bereits im vierten Quartal 2007 wollen wir erste sichtbare Ergebnisse zeigen“, betonte Roth.

Kommunen müssen beim Klimaschutz aktiv werden

Zu einem ganz anderen Thema, das aber sowohl Städte als auch Gemeinden gleichermaßen betrifft, referierte im Anschluss Prof. Dr. Harry Lehmann, Leiter des Fachbereiches „Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien“ im Umweltbundesamt. Sein Thema lautete „Neue Wege des Klimaschutzes durch alternative Energien“. Er stellte dem Plenum zunächst das vom Umweltbundesamt propagierte Zwei-Säulen-Modell der Klimaschutzpolitik vor. Dieses besagt zum einen, dass in vielen Bereichen der Kommunalpolitik Anpassungen an die bereits absehbaren, unvermeidlichen Folgen des Treibhauseffektes erforderlich seien. Zum anderen tragen die Kommunen aktiv dazu bei, den Klimawandel durch eine Reduktion von Treibhausgas-Emissionen abzumildern. Ein wichtiger Punkt im Rahmen des Klimaschutzes ist die deutliche Verringerung des weltweiten CO2-Ausstoßes um bis zu 80 Prozent. „Städte und Gemeinden können aufgrund ihrer Planungshoheit die Stadtentwicklung energiesparend gestalten und auf diese Weise zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen. Eine energiesparende Gemeinde- und Stadtplanung hat sehr langfristige Auswirkungen, da kaum etwas so lange genutzt wird wie ein Gebäude“, erklärte Lehman. Als Instrumente einer zukunftsweisenden Bauleitplanung sieht er unter anderem die Einführung des Passivhausstandards, Energieversorgungskonzepte mit Kraft-Wärme-Koppelung in Blockheizkraftwerken und die bauleitplanerische Ermöglichung der Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere von Solarenergie.