Zahlreiche Reihen mit weiße Papierboote nebeneinander, zwischen den Reihen fährt ein rotes Papierboot entlang.

6. Deutschlandforum

6. Deutschlandforum: Teamplay in Städten und Regionen - die Aufgaben gemeinsam bewältigen


Zukunftswissen nutzen

Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), begrüßte die Teilnehmer und wies in seiner Rede gleich auf ein immer größer werdendes Problem im Verhältnis von Stadt und Land hin. „Wir brauchen sowohl starke Metropolen als auch starke Gemeinden in der Fläche. Das eine geht nicht ohne das andere. In der Politik stellen wir aber oft das Gegenteil fest, nämlich einen zunehmenden Zentralismus und eine Konzentration auf Metropolen. Damit wird man den Bürgern, die immer öfter ihre Lebensperspektiven in überschaubaren Strukturen suchen, nicht gerecht.“ Auch Prof. Dr. Rolf Kreibich, Direktor und Geschäftsführer des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin, kritisierte in seinem anschließenden Impulsreferat zunächst das kurzfristige Handeln, das in Deutschland in vielen Bereichen zu beobachten sei. „In der Politik wird zum Beispiel nur noch in Legislaturperioden gedacht, die Horizonte sind somit auf drei bis vier Jahre begrenzt“, lautete seine Einstiegsthese. Hier setzt die Arbeit des IZT an. Schwerpunkte sind Zukunftsstudien und die Analyse der Entwicklung und Einführung neuer Technologien sowie die Abschätzung und Bewertung ihrer wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und sozialen Folgen. „Man kann die Zukunft sicher nicht vorhersagen. Man kann allerdings wissenschaftliches Zukunftswissen nutzen, um Zukünfte zu erfassen und in einem partizipativ-demokratischen Prozess gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass negative Entwicklungen und Katastrophen verhütet werden und das Beste realisiert wird“, erläuterte Kreibich weiter den Sinn der Zukunftsforschung. Das Arbeitsspektrum des IZT ist dabei breit gestreut. Veränderungen im Zuge der Globalisierung, demografischer Wandel und die damit verbundene Entwicklung von Arbeitsverteilungen in den jeweiligen Altersgruppen sowie die Vernetzung durch innovative Informations- und Kommunikationstechnologie gehören unter anderem dazu.

Welche Chancen hat der ländliche Raum?

Auch die Bedeutung der Globalisierung für den ländlichen Raum gehört zu den Forschungsthemen des IZT. So nahm Prof. Dr. Rolf Kreibich auch an der nachfolgenden Diskussionsrunde teil. Das Thema lautet: „Was soll ich hier noch – hat der ländliche Raum eine Zukunft? Perspektiven für die Gemeinden“. Mit Kreibich diskutierten Dr. Ralf Trabant, Unternehmer und Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Stade, Erika Lenz, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes e.V., und Dr. Kirsten Witte, Leiterin des Kompetenzzentrums für Kommunen und Regionen der Bertelsmann Stiftung. Franz- Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, moderierte. Da gerade in jüngerer Zeit in den Medien wieder verstärkt über Landflucht und das Aussterben von ganzen Gemeinden berichtet wurde, startete er die Expertenrunde mit der provokanten Frage „Kommt die Provinz ins Museum?“ Gründe für die „Abwanderungen“ sind in erster Linie die fehlenden Arbeitsplätze, aber auch eine mangelhafte Identifizierung der Menschen mit dem ländlichen Raum. Was sind die Ursachen und was kann man dagegen tun? „Unternehmen brauchen Ressourcen und die Nähe zu ihren Kunden. Das ist im ländlichen Raum leider nicht überall gegeben“, erklärte Dr. Ralf Trabant das oftmalige Fehlen von mittelständischen und großen Betrieben. Manche Regionen sind seiner Meinung nach sogar soweit strukturell abgehängt, dass eine weiter finanzielle Unterstützung durch Subventionen fragwürdig ist. Für Prof. Rolf Kreibich fehlt es in Deutschland dagegen häufig an Fantasie, die vorhandenen Möglichkeiten effektiv zu nutzen. „Die Menschen auf dem Lande müssen sich umstellen und vor allem ausreichend qualifiziert sein. Ein Landwirt sollte sich zum Beispiel heute auch als Energiewirt verstehen, und Kommunen sollten sich bei der Energiegewinnung und -nutzung jenseits der großen Energiekonzerne autark aufstellen. Dann kann man vieles erreichen.“ Erika Lenz bremste den Optimismus ein wenig. Ihrer Meinung nach seien viele Landwirte sehr wohl bereit, sich als Energiewirte zu sehen. „Allerdings muss man eine gewünschte Biogasanlage auch irgendwo aufstellen. Und an dieser Stelle kommen die Verordnungen und Auflagen in Deutschland ins Spiel. Die Auseinandersetzung mit der Bürokratie erweist sich oftmals als zu große Hemmschwelle“, so Lenz.

Breitbandtechnologie muss ausgebaut werden

Ein weiteres Problem für den ländlichen Raum formulierte Franz-Reinhard Habbel wieder mit einer Frage an die Expertenrunde: „Warum sind wir in Deutschland so weit zurück mit der Breitbandkommunikation?“ „Man ist hier im Lande sehr gut darin. Probleme zu erkennen, aber für die Lösung brauchen wir meist sehr lange“, lautete die direkte Antwort von Dr. Kirsten Witte, die damit auf allgemeine Zustimmung stieß. Auch über die große Bedeutung der Breitbandkommunikation herrschte Konsens in der Podiumsrunde. Sie ermöglicht unter anderem das effiziente Arbeiten von zu Hause. Gerade für Regionen, in denen keine potenziellen Arbeitgeber ansässig sind, ein wichtiger Faktor. „Es gibt in Deutschland bereits Projekte im ländlichen Raum, in denen Telekommunikation hervorragend funktionieren. Sicherlich kann man nicht jedes Model, eins zu eins übernehmen, aber ich würde den Kommunen dringend raten sich umzusehen, um sich gegebenenfalls an einem geeigneten Beispiel zu orientieren“, erklärte Prof. Dr. Rolf Kreibich. Allerdings, so räumte er ein, müsse man den Menschen auch die Scheu vor diesen neuen Technologien nehmen und Verantwortliche in Unternehmen überzeugen, dass ihre Mitarbeiter auch von zu Hause aus wertvolle Arbeit leisten können. Dr. Ralf Trabant forderte ebenfalls: „Die Breitbandtechnologie muss zwingend ausgebaut werden.“ Er berichtete in diesem Zusammenhang von erheblichen Problemen bei der Bereitstellung von DSL-Anschlüssen für diejenigen Standorte seines Unternehmens, die nicht direkt im Stadtgebiet Stade lagen.

Workshop-Arbeit, Kamingespräch, T-City-Wettbewerb

Die Diskussion um Breitbandtechnologie und den ländlichen Raum wurde zunächst auf das Plenum ausgeweitet, bevor in drei Workshop-Gruppen vertiefend zu folgenden Themen gearbeitet wurde: „Lebensqualität in Stadt und Land – Was gehört dazu?“, „Breitbandanbindungen – Kommunale Infrastrukturaufgabe oder Wachstumsmotor“ und „Lässt sich Nachwuchs managen?“ Die Ergebnisse werden derzeit dokumentiert, zusammengefasst und in Kürze als Thesenpapiere bereitgestellt. Wie sich herausstellte, waren die Teilnehmer des Workshops „Breitbandanbindung“ an einer Vertiefung der Thematik interessiert. Es wurde daraufhin innerhalb des IC eine eigene Arbeitsgruppe unter der Leitung von Reinhold Harnisch gegründet und nachfolgende Treffen vereinbart. Weitere Arbeitsgruppen des IC beschäftigen sich bereits intensiv mit den Themen „Bildung“ und „Interkommunale Kooperationen“.

Am Abend des ersten Veranstaltungstages stand dann das mittlerweile traditionelle Kamingespräch auf dem Programm. Dieses Mal hatten der IC die Journalistin Astrid Frohloff eingeladen. Sie berichtete unter anderem mehrere Jahre aus den Krisengebieten im Nahen Osten berichtete und moderierte von 1999 bis 2004 die „ SAT1–Hauptnachrichten um 18.30 Uhr. Sie berichtete dem IC über „Reporter ohne Grenzen“, 1985 im südfranzösischen Montpellier gegründet und heute eine weltweit agierende Menschenrechtsorganisation. Astrid Frohloff ist seit 2004 im Vorstand der Organisation, die sich rund um den Globus für freie Meinungsäußerung und Berichterstattung unabhängig von wirtschaftlichen, religiösen und politischen Interessen einsetzt. Der Schutz von Journalistinnen und Journalisten gehört dabei zu den wichtigsten Zielen. Reporter ohne Grenzen organisiert bei Bedarf Rechtsanwälte, zahlt Kautionen und schickt Prozessbeobachter. Journalisten, die offenkundig bedroht werden, werden außer Landes gebracht. Daneben beobachten und dokumentieren die Mitarbeiter der Organisation kontinuierlich die Medienfreiheit in über 150 Ländern. In der aktuellen Rangliste, so berichtete Frohloff zur Überraschung der Zuhörer, liegt Deutschland dabei nur auf Platz 25 (Platz 1 = Land mit der besten Medienfreiheit). Zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages begrüßte der IC Jens-Rainer Jänig vom Zentralbereich Unternehmenskommunikation der Deutschen Telekom AG. Er berichtete über das Projekt „T-City“, einen bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb, der im Mai 2006 offiziell gestartet wurde und auch vom DStGB aktiv unterstützt wird.  Der Nachmittag gehörte wieder ganz der Workshop-Arbeit. Hier wurde an die Themen des 5. Deutschlandforums vom April 2006 angeknüpft. Die Teilnehmer erarbeiteten weiterführende Ideen und Konzepte zu den Themen „Innovationscheck für Kommunen“, „Shared Service für Kommunen“ sowie „Regionale/Überregionale Kompetenzzentren“.