Der Wunsch nach weniger Verwaltung und strafferen Strukturen besteht in Deutschland schon lange. In den letzten 20 Jahren enthält fast jede Erklärung der jeweiligen Bundesregierung eine Forderung zum Bürokratieabbau. Auch die Wirtschaft ruft – vor allem um Kosten zu sparen – nach neuen Konzepten. Und der durchschnittliche Bundesbürger an sich will seine wertvolle Freizeit sowieso nicht mit dem Ausfüllen von Anträgen und Formularen verbringen. Kurzum: Es herrscht eigentlich Konsens unter jenen, die sonst doch eher kontroverse Positionen vertreten. Da wundert es, dass in der Realität wenig brauchbare Ergebnisse vorzuzeigen sind. Im Gegenteil: Es scheint, als ob die Bürokratie landauf, landab immer mehr zunimmt. Grund genug für den IC auf dem 5. Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung über Ursachen, Folgen und mögliche neue Lösungskonzepte zum Bürokratieabbau zu diskutieren. 40 Teilnehmer waren dafür am 27. und 28. April 2006 nach Bergisch- Gladbach gekommen.
Zu viel Bürokratie – ein Mentalitätsproblem?
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und Bürgermeister in Bergkamen. Für ihn ist der schwerfällige Bürokratieabbau in erster Linie auf ein Mentalitätsproblem der am Prozess beteiligten Akteure zurückzuführen. Auf die möglichen Gründe für den hohen Grad an Bürokratie ging zum Beginn seines Vortrags auch Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor und Präsidiumsmitglied des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (IW), ein.
Expertenrunde: Standard-Kosten-Modell
In der anschließenden Podiumsdiskussion spielte das in den Niederlanden entwickelte und mittlerweile international anerkannte Standard-Kosten-Modell (SKM) die zentrale Rolle. Durch die Methode lassen sich jene Kosten messen, die sich für ein Unternehmen aus der gesetzlichen Informationspflicht gegenüber dem Staat ergeben (mittelbar und unmittelbar). Für die Expertenrunde hatte der IC eigens den Initiator des SKM, Dr. André Nijsen vom niederländischen Wirtschaftsinstitut EIM in Zoetermeer, eingeladen. Mit ihm diskutierten Wolf Michael Ring, Leiter der Deregulierungsstelle im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern und Dr. Tobias Ernst von der Bertelsmann Stiftung. Die Moderation übernahm Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB. Ausgangspunkte waren die Vorgehensweise und Nutznießer des SKM, seine Einführung in Deutschland sowie die Interessen und Pläne, die mit dem SKM auf Länderebene verfolgt werden. Eine für den IC wichtige Frage war außerdem: Kann man das Verfahren auch in Kommunen einsetzen? Hier konnten die Experten noch keine allgemeingültigen Aussagen treffen. In Deutschland laufen zurzeit erst entsprechende Pilotprojekte zum SKM auf Bundesebene. In Holland, wo das SKM flächendeckend eingesetzt wird, werden die Kommunen vom Bund zu Experimenten eingeladen, die z.B. im Bereich der Gaststätten durchgeführt werden. „Die kommunalen Vertreter haben hierbei Gelegenheit, Fragen zu stellen über die Art und Weise, wie sie Genehmigungen an die Gaststätten geben und Kontrollen bei den Betrieben durchführen können und natürlich, wie dabei Kosten zu sparen sind“, erklärte Nijsen. Beim traditionellen Kamingespräch am Abend erwartete die IC-Mitglieder schließlich ein ungewöhnlicher Vortag. Dr. Udo Ulfkotte, Hochschullehrer an der Universität Lüneburg, Bestsellerautor und Chefkorrespondent des Gesellschaftsmagazins Park Avenue referierte unter dem Titel „Im Fadenkreuz: Terrorismus und Geheimdienste“. Dabei ging der Experte für nahöstliche und afrikanische Staaten auf die Geschichte des Islams ein und gab umfassende Hintergrundinformationen zum Islamismus in Deutschland sowie den damit verbundenen Schwierigkeiten, die sich auch in den einzelnen Kommunen bemerkbar machen.
Personalmanagement und Bürokratieabbau
Was kann Personalmanagement zur Entbürokratisierung beitragen und wie sollte es umgesetzt werden? Antworten auf diese Frage lieferte zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages Dr. Peter Hablützel, Direktor des Eidgenössischen Personalamtes a.D. Der Gast aus der Schweiz zeigte in seinem Impulsvortrag die positiven und negativen Aspekte bürokratischer Organisationen auf, informierte über Bürokratie und Management in der öffentlichen Verwaltung und stellte die Personalpolitik in der Schweizer Bundesverwaltung vor. Diese erfuhr seit Anfang der 90er-Jahre entscheidende Veränderungen. Einige Schlagworte waren hierbei: Abschaffung des Beamtenstatus, flexible Anstellung mittels Arbeitsvertrag und ein leistungsabhängiges Lohnsystem. Am Ende seines Vortrages formulierte Hablützel folgende These: „Man kann Bürokraten nur entbürokratisieren, indem man es ihnen vorschreibt. Es braucht Vorschriften, um Vorschriften abzubauen, und es braucht auch Gesetze, nur sollten diese final und nicht konditional sein. Außerdem braucht Entbürokratisierung neben dem rechtlichen Rahmen vor allem eine Vision. Man muss zunächst die Zukunft anvisieren. Und dann darf man nicht den Fehler machen, alle organisatorischen Fragen von vornherein lösen zu wollen.“
Prozesse optimieren
Die aus der Podiumsdiskussion gewonnenen Erkenntnisse vertieften die Teilnehmer des 5. Deutschlandforums Verwaltungsmodernisierung intensiv in den jeweiligen Workshop-Phasen während der Veranstaltung. Ziel war es, eine kommunale Position zum SKM sowie zur Entbürokratisierung in Deutschland allgemein zu entwickeln. Das SKM wurde dabei kritisch reflektiert. So konnte sehr wohl vermerkt werden, dass das Instrument den Gesamtkomplex Verwaltungsmodernisierung nicht hinreichend erfasst, sehr wohl aber Prozesse in den Kommunen optimiert werden können. Darüber hinaus wurden konkrete Ansatzpunkte zu Umsetzungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene benannt, die Dr. Ernst während der Podiumsdiskussion beschrieben hatte.
5. Deutschlandforum