Sucht man nach einer Antwort auf die Frage, wie die Stadt von morgen beschaffen sein sollte, lautet diese meist: „intelligent“. Das Schlagwort der „Smart City“ rückt immer mehr in den Fokus. Allein eine Google-Recherche nach dem Begriffspaar verzeichnet mittlerweile über 1,5 Millionen Einträge. Anfang des letzten Jahres waren es erst eine halbe Millionen. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Konzept der ‚intelligenten Stadt’? Obwohl eine Vielzahl von Begriffserklärungen vorliegt, fehlt eine eindeutige Definition. Es können hingegen verschiedene Faktoren aufgezählt werden, die in der ‚Smart City‘ eine Rolle spielen: Eine intelligente technische Vernetzung, eine intelligente Stadtplanung, der zukunftsgerechte Umgang mit Energie und Ressourcen und nicht zuletzt die Kreativität und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger.
Die Frage, wie diese Komponenten der intelligenten Stadt realisiert werden können, stand im Mittelpunkt des 14. Deutschlandforums des Innovators Club. Die Tagung fand auf Einladung der KfW Bankengruppe in der Mitte Berlins, unmittelbar neben dem Gendarmenmarkt statt. Dort hatte sich seinerzeit schon der preußische Architekt und Stadtplaner Karl-Friedrich Schinkel verwirklicht, dessen Bauwerke heute noch das Stadtbild prägen.
Dr. Ulrich Schröder, Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe, begrüßte die Mitglieder des Innovators Club und äußerte die Freude der KfW über die Teilnahme an diesem exklusiven Kreis. Anschließend skizzierte Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, die zukünftigen Herausforderungen in der Energiepolitik. Hier sei es von entscheidender Bedeutung, beim notwendigen Ausbau der Energienetze die Kommunen und die Stadtwerke einzubeziehen. Die zukünftige Energiepolitik könne nur auf der Basis eines breiten Konsenses aller Akteure erfolgreich gestaltet werden.
Dr. Michael Denkel, Stadtplaner und Partner im Büro von Albert Speer, stellte in seinem Vortrag die tragenden Säulen einer intelligenten Stadt im 21. Jahrhundert dar. Bei einer derartigen Konzeption müsse berücksichtigt werden, dass in rund 20 Jahren eine Milliarde Menschen mehr als heute auf der Welt leben werden. „Diese Tatsache stellt uns vor das größte Bauprogramm der Menschheit“, sagte Denkel. Moderne Stadtplanung müsse sich daher an den Grundsätzen von Klimaschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit orientieren und setze auf grüne Zonen zur Naherholung, energieeffiziente Gebäude und eine dezentrale Versorgung mit Strom und Wärme. Hohe Lebensqualität, bauliche Ästhetik sowie kurze Wege zu Arbeitsstätten und Freizeitangeboten seien nur einige Attribute einer intelligenten Stadt. Um eine solche Planung umsetzen zu können, müsse allerdings der gesellschaftliche Lebensstil hinterfragt werden. „Eine nachhaltige Gesellschaft muss an die Stelle der Konsumgesellschaft treten“, so Denkel. Langfristiges Ziel solle eine polyzentrische und ökologische Metropolis – die sogenannte „Ecotropolis“ – des 21. Jahrhunderts sein, resümierte Denkel.
„Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ prognostizierte der Kulturwissenschaftler Prof. Harald Welzer. Er stellte dabei eindrucksvoll dar, dass sich unsere bisherige Art des Denkens sowie unser Blick auf die Herausforderungen der Zukunft fundamental ändern müssen, um diesen effektiv begegnen zu können. Signifikant für moderne Gesellschaften sei bisher, dass man „ausschließlich einen Plan A“, aber keine Alternativen besitze, so Welzer. Man verfüge über die Vorstellung, dass man einen unaufhörlichen Wachstum bewerkstelligen könne. Der Modus sei die „Produktion von Unendlichkeit“. Dieses „business as usual“ müsse nun aber ein Ende haben. Der Rückgriff auf bisherige Strategien intensiviere das Scheitern der Akteure. Es gehe vielmehr darum gänzlich neue Erfolgsstrategien zu finden, stellte Welzer fest. Dieser Prozess des Umdenkens müsse dabei von der Mitte der Gesellschaft initiiert und ausgestaltet werden, da die Politik allein mit dieser Aufgabe überfordert sei. „Wir müssen vom Modus des Konjunktivs in den Modus der realen Umsetzung wechseln. Insbesondere auf kommunaler Ebene werden heute Veränderungsprozesse angestoßen. Diese Ebene wird daher immer bedeutender“, prognostizierte Welzer.
Auch Prof. Stephan Breidenbach von der Humboldt-Viadrina-School of Governance hob die Schlüsselstellung der Kommunen bei der Bewältigung der zukünftigen Aufgaben hervor. Städte und Gemeinden würden in besonderem Maße die Lebensqualität und das Lebensgefühl der Bürger prägen. „Wir leben lokal“, sagte Breidenbach. Gleichzeitig biete sich die Möglichkeit, Wissen und Fähigkeiten der Bürger zu aktivieren und zu nutzen. Insbesondere das Internet verfüge hierbei über ein „gigantisches Potential“. Man müsse die „Schwarmintelligenz“ der Bürger nutzen, um trotz schrumpfender Haushalte den Herausforderungen durch Formen der Partizipation begegnen zu können, appellierte Breidenbach. Er prognostizierte, dass das „Dagegen-Sein“ als niedrigste Stufe der Partizipation durch unternehmerisch handelnde Personen ersetzt werde, die für etwas einstehen und Veränderungen initiieren. Die Gestaltungskraft der Zukunft läge bei den Bürgern.
In der Stadt von Morgen sind ebenso intelligente Mobilitätskonzepte unabdingbar: Fossile Brennstoffe sind endlich, regenerative Energien auf dem Vormarsch. Wesentlicher Baustein alternativer Energiekonzepte sind Elektromobile. Gerald Vogel von der RWE Effizienz GmbH erläuterte in seinem Vortrag die Potentiale von Elektromobilität für Städte und Gemeinden. Mit den Eigenschaften emissionsfrei, geräuscharm und nachhaltig können Elektromobile wesentlich zur ökologischen Stadt von Morgen beitragen. „Elektromobilität bedeutet sowohl ein Mehr an Lebensqualität als auch ein Standortvorteil für Kommunen“, erläuterte Vogel zu den Vorteilen.
Wie die Mobilität der Zukunft konkret aussehen könnte, stellte der preisgekrönte Berliner Architekt Jürgen Mayer H. beeindruckend in einer multimedialen Präsentation dar. Nach seiner Vision fließt der Verkehr im Jahr 2030 in den Städten mithilfe von automatisierten Fahrsystemen von selbst. Das Straßenbild ist in Folge dessen nicht länger von Ampeln und Straßenschilder geprägt. „Der Blick wird frei für die Stadt“, erklärte Mayer H. Es würden sich ausschließlich elektrische Fahrzeuge auf den Straßen bewegen und die Windschutzscheibe fungiere als Touchscreen, mit dessen Hilfe die Verkehrsteilnehmer die Informationen der sie umgebenden Welt filtern könnten. „Das Auto wird sich von einer Fahrmaschine hin zu einer Erfahrungs- und Kommunikationsmaschine verändern“, so Mayer H.
Im Rahmen des abendlichen ‚Kamingespräches‘ skizzierte der Medienexperte Prof. Jo Groebel seine Vorstellungen zur neuen Medienordnung in der digitalen Welt. Für Städte und Gemeinden seien soziale Netzwerke insofern von Bedeutung als das innerhalb dieser virtuellen Plattformen Stimmungsbilder der Menschen wiedergespiegelt und erfasst würden, die für den kommunalen Entscheidungsprozess von Nutzen sein könnten. Die Gemeinsamkeit zwischen der Community im Netz und der Kommune als solcher bestünde darin, dass beide eine Gemeinschaft darstellen. Man könne diese miteinander verbinden und eine Brücke zwischen der virtuellen und der realen Kommunikation schlagen, sagte Groebel.
Von der Antike bis heute – Ideenlieferant Bürgergesellschaft
Bereits Aristoteles machte mit seiner Beschreibung der „Polis“ sowie der „politiké koinonia“ den Wert der bürgerlichen Gesellschaft geltend. Damit bezeichnete er eine Gemeinschaft von Bürgern, die zusammen das Gute tugendhaft verwirklichen. Alexis de Tocqueville prägte im 19. Jahrhundert sodann den Begriff der Zivilgesellschaft. Der Partizipationsgedanke spielte seit jeher eine zentrale Rolle in politischen Diskursen. Im heutigen Zeitalter ergeben sich mittels des Internets als schnellem und unkompliziertem Kommunikationsmedium wiederum gänzlich neue Partizipationsmöglichkeiten. Der zweite Tag der Veranstaltung beschäftigte sich intensiv mit der Frage, wie Bürger in die Entwicklung und Gestaltung der Städte und Gemeinden einbezogen werden können.
„Transparenz, Partizipation und Offenheit“ benannte Franz Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, als die drei Megatrends der Zukunft. In seinem Impulsvortrag zeichnete er den Weg hin zu einer neuorientierten lokalen Politik auf. Die Adressierung der Politik von oben nach unten funktioniere nicht mehr, so Habbel. Bürger wollen sich beteiligen, mitentscheiden und zum ‚Koproduzenten‘ der Verwaltung werden. Die Kommunen müssten daher auf engagierte Bürger setzen und „Ermöglichungsräume“ für deren Partizipationsvorhaben schaffen.
Im Konzept der „Big Society“ wird in Großbritannien bereits heute versucht die Bürger stärker in den Verwaltungsprozess mit einzubeziehen sowie das ehrenamtliche Engagement der Briten zu stärken. Dr. Elke Löffler, Geschäftsführerin von Governance International in Birmingham, berichtete von einem Modell in Großbritannien, das eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Bürgergesellschaft vorsieht. Es sei ein Trend hin zur Bürgerkommune zu verzeichnen. Wesentlicher Baustein der „Big Society“ seien daher 5000 Koordinatoren für bürgerschaftliches Engagement. „70 Prozent der Bürger sind bereit mehr im Ehrenamt zu tun, um ihre Lebensqualität zu verbessern. Dieses Potential soll in der ‚Big Society‘ genutzt werden“, erklärte Löffler. Das Programm setze daher im Wesentlichen auf das Mitentwickeln, Mitumsetzen und Mitbewerten der Bürger. Letzteres werde mittels regelmäßiger Verwaltungsbewertungen durch die Bürger ermöglicht, so Löffler.
Partizipation statt Politikverdrossenheit – Gelungene Praxisbeispiele
Anhand von zwei Beispielen wurden den Mitgliedern des Innovators Club anschließend konkrete Modelle innovativer und erfolgreicher Bürgerbeteiligung vorgestellt. Der Politikwissenschaftler Christian Kreutz referierte über die von ihm initiierte Ideenplattform „Frankfurt Gestalten“, die mittels georeferenzierter Daten aktuelle Planungsvorhaben in Frankfurt am Main transparent macht und den Bürgerinnen und Bürgern die Chance bietet, eigene Ideen und Vorschläge in die Stadtpolitik einzubringen. Das Konzept basiere auf drei Pfeilern, so Kreutz. Einerseits stelle die Plattform ein Informationsservice für den Bürger dar. Sie sei dabei eine Art lokaler Seismograph für die Nachbarschaft und die lokale Politik. Zudem stehe die Bürgerbeteiligung im Vordergrund. Die Bürger bringen sich ein, machen Vorschläge zu lokalen Belangen und diskutieren miteinander über Lösungen. Dritter Pfeiler sei die Vernetzung von Bürgerideen. Den großen Erfolg des Projektes beweisen die gestiegenen Nutzerzugriffe: Die Plattform habe allein 7000 Besucher pro Monat, berichtete Kreutz.
Das nachfolgend von Dr. Johann Füller, Vorstand der Münchener Innovationsagentur HYVE AG, und Giordano Koch, Bereichsleiter HYVE Open Government, vorgestellte Konzept einer „Open City Society“-Plattform basiert auf einer ähnlichen Idee der Beteiligung. Auch sie wollen den Bürgern deutscher Kommunen eine Internetplattform zur Verfügung stellen, auf der sich die Teilnehmer zu unterschiedlichen Fragen des urbanen Lebens der Zukunft virtuell austauschen und Ideen einbringen können.
- - Über den erfolgreichen Prozess der Planung und Umsetzung des im Bau befindlichen Zentralbahnhofs in Wien berichtete Christoph Hrncir vom Magistrat der österreichischen Hauptstadt. In Wien geschieht derzeit ähnliches wie es in Stuttgart geplant ist: Auch hier soll ein neuer Durchgangsbahnhof den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen. Die Reaktionen fallen in der Hauptstadt Österreichs hingegen anders aus: Anstatt Proteste gibt es Lob, anstatt Kritik an zu wenig Information freuen sich die Bürger in Wien über ein transparentes Vorgehen. Durch frühzeitige Informationsveranstaltungen mit Diskussionsforen in einzelnen Bezirken, einen Projekt-Ombudsmann sowie einem eigens eingerichteten Informationszentrum in der Nähe des Baugebietes konnten sich die Bürger von Beginn der Planungen an informieren und Anregungen in den Diskurs einbringen. „Dass wir die Öffentlichkeit frühzeitig mit eingebunden haben, war von großem Vorteil für das Gelingen des Projektes.“ Ende nächsten Jahres, so Hrncir, werden die ersten Bahnsteige in Betrieb gehen. Im Jahr 2019 solle das gesamte Projekt abgeschlossen werden.
Zwei Tage anregender Vorträge und intensiver Diskussionen ließen deutlich werden, dass die Zukunftsfähigkeit der Kommunen wesentlich davon abhängen wird, inwieweit die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für das Gemeinwesen einzusetzen, gestärkt und ausgebaut werden kann. Das schier unerschöpfliche Reservoir an Wissen und Ideen, das in den Köpfen der Menschen vorhanden ist, stellt für Städte und Gemeinden einen unschätzbaren Wert dar. Dieses Potential zu aktivieren ist Aufgabe von innovativen Kommunen. Eine zentrale Komponente der ‚Smart City‘ hat sich während des 14. Deutschlandforums deutlich herauskristallisiert: Die intelligente Stadt der Zukunft kann ohne die Mitwirkung der Bürger nicht funktionieren.