Deutschland liegt bei der Verwaltungsdigitalisierung seit vielen Jahren im internationalen Vergleich nur im hinteren Mittelfeld. Dabei fehlt es weder an politischen Absichtsbekundungen und ambitionierten Vorhaben wie dem OZG noch am Einsatz und Engagement aller Beteiligten. Dennoch kommen wir, nicht zuletzt aufgrund der komplexen föderalen Strukturen, nur langsam voran. Die Gründe sind vielschichtig angefangen vom Bestreben, bereits getätigte Investitionen zu schützen, bis hin zu unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern. Bund und Länder haben in den letzten Jahren immer neue Anstrengungen unternommen, um die digitale Aufholjagd zu starten. Wirklich erfolgreich war dies aber nicht. Wenn wir also im internationalen Vergleich nicht immer weiter ins Hintertreffen geraten wollen, müssen wir Verwaltungsdigitalisierung neu denken.
INNOVATIONSWETTBEWERB FORCIEREN
Zu Beginn des Jahres 2024 wird überdeutlich, dass die Digitalisierung der Verwaltung neue Impulse benötigt. Ein tatsächlicher Schub kann von neuen technologischen Lösungen ausgehen. Hier wird der Einsatz von KI eine wichtige Rolle spielen, etwa zur Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder zur automatisierten Bearbeitung von Prozessen. Dabei gilt es allerdingszu beachten, dass der öffentliche Sektor gerade auf diesen neuen, zukunftsweisenden Feldern häufig nicht mit der Innovationsgeschwindigkeit von Startups oder etablierten Unternehmen mithalten kann. Für den Erfolg bei der Verwaltungsdigitalisierung ist es daher von großer Bedeutung, dass die Kooperation mit dem privaten Sektor deutlich intensiviert wird. Die nächste Generation der digitalen Verwaltung lässt sich nicht aus dem öffentlichen Silo heraus entwickeln. Hier müssen wir zu mehr Kooperation und zu einer engeren Einbindung der wirklich innovativen Akteure kommen. Zielbild wäre ein echter Innovationswettbewerb, um die besten Lösungen für eine digitale Verwaltung zu erhalten.
ZENTRALEN MARKTPLATZ SCHAFFEN
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist daher, an zentraler Stelle etwa durch den Bund gefördert einen offenen Marktplatz für digitale Lösungen zu etablieren. Auf diese Weise könnte besonders den Städten und Gemeinden deren Auswahl und Beschaffung deutlich erleichtert werden. Zugang zu diesem Marktplatz sollte nur dann gewährt werden, wenn ein Katalog von noch zu definierenden Basisanforderungen wie beispielsweise Datenschutz, Datensicherheit oder offene Schnittstellen erfüllt ist. Diese Basisanforderungen müssten von einem unabhängigen Fachgremium in regelmäßigen Abständen definiert und überprüft werden. Ein solches Konzept ermöglicht es den Kommunen, schnell, einfach und sicher aus den dort vorhandenen An- geboten auszuwählen, und kann dabei sicherstellen, dass die beschafften Lösungen untereinander kompatibel sind. Bei der Definition der Anforderungen an diesen Marktplatz gilt es allerdings zu beachten, dass wir auch wirklich eine Angebotsvielfalt zulassen. „Einer für Alle“ mag bei der Vergabe von öffentlichen Geldern für die Entwicklung neuer Lösungen richtig gewesen sein, darf aber keinesfalls für die bereits verfügbaren Lösungen gelten. Wir brauchen stattdessen ein Aufbrechen der Strukturen und mehr Wettbewerb um die besten Lösungen und den besten IT-Service für Kommunen.
PRIVATUNTERNEHMEN EINBINDEN
Um bei der Digitalisierung erfolgreich zu sein, benötigt der öffentliche Sektor in Deutschland dringend eine enge Zusammenarbeit mit den privaten Unternehmen. Derzeit herrscht aber vielfach noch der Glaube, der Staat könne „souverän“ und „ohne den Markt“ spezielle Angebote entwickeln und dann auch anbieten und betreiben. Dies wird nicht funktionieren, da es eben kaum möglich ist, mit der Innovationsgeschwindigkeit der weltweit agierenden Digitalkonzerne mitzuhalten. Wenn es nicht gelingt, verstärkt auf Marktlösungen zu setzen, wird der öffentliche Sektor bei der Digitalisierung immer weiter zurückfallen. Sollten sich Bund und Länder um die mühsam und kostspielig entwickelten „EfA-Leistungen“ sorgen, können sie für diese zumindest in finanzieller Hinsicht einen deutlichen Wettbewerbsvorteil schaffen. Eine Idee wäre, diese Angebote den Kommunen als „Basisversorgung“ dauerhaft kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
AUFGABE DES STAATES: DEN RAHMEN SETZEN
Auf den Markt zu setzen, bedeutet allerdings auch, dass es klare Regeln und Regulierungen geben muss. Der Staat muss viel mehr als bisher klare und wirklich verbindliche Vorgaben machen, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit Marktlösungen zielgerichtet eingesetzt werden können. Gleiches gilt für die Festlegung verbindlicher Standards und Schnittstellen. Ein solches Vorgehen würde es auch öffentlichen und privaten Unternehmen erleichtern, sich an diese „Spielregeln“ anzupassen und ihre Angebote entsprechend auszugestalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Politik auf allen Ebenen den Weg aus der Sackgasse findet und erkennt, dass bei der Digitalisierung insgesamt der Staat nicht länger die Aufgabe eines Umsetzers, sondern die des Rahmensetzers bekleiden muss. Wie auf vielen anderen Politikfeldern ist es seine Aufgabe, für den Markt das Spielfeld und die Regeln zu definieren. Dazu brauchen wir jetzt eine Kehrtwende.
Ein Artikel von Alexander Handschuh erschienen in der VITAKO Ausgabe 01/2024.